Tiere spielen, Kinder spielen und es gibt zahlreiche Formen des Spielens für jede Altersklassse, da liegt es nahe, sich dieses Phänomens wissenschaftlich anzunehmen, um den Homo ludens – den spielenden Menschen zu beobachten und sein Verhalten erklären zu können. Wir spielen Brettspiele, Computerspiele, treiben Sport in Form von Spielen oder spielen Theater und Musik. Warum?
Homo ludens – der spielende Mensch
Fossile Überreste belegen die Eixistenz unserer Art seit ungefähr 200.000 Jahren. Vor 40.000 Jahren haben wir angefangen, Sprachen zu entwickeln. Das hat ziemlich lange gedauert, bis wir unsere Laute und die Stimme sortiert und strukturiert bekamen. So manchem Anthroprologen war dieser Aspekt des Denkens bei der Beschreibung eines Menschenbildes zu wenig. Wir sind schaffende, gestaltende Menschen, tätige Handwerker, die ihre Umwelt aktiv verändern, so entstand des Menschenbild des homo faber.
Vom Ursprung der Kultur im Spiel
Dem niederländischen Historiker Johan Huizinga (1872-1945) reichten diese Beschreibung, ob nun sapiens oder faber, für uns Menschen nicht aus. Neben dem Denken und Handeln macht es uns Menschen nach seiner Auffassung aus, dass wir Kulturen erschaffen haben. Er stellt sich die Frage, wie es dazu kam und stellt fest, dass wir Menschen schon weit vor jeder Kulturentwicklung gespielt haben. Menschen spielen. Wir spielen leidenschaftlich und aus dieser eher unvernünftigen Tätigkeitkeit, noch ohne konkreten Zweck, entstehen Regeln und Strukturen.
Das Menschenbild des Homo ludens beschreibt das Entstehen der Kultur im Spiel und aus dem Spiel heraus. Das Spiel ist eine grundlegende Substanz und formative Kraft der Kultur. Brutale Selbstbehauptungen, die so alt sind wie die Menschheit, werde mit Hilfe des Mediums Spiel innerhalb eines geregelten Wettstreits gebändigt. Das Fussballspiel ist nur ein praktisches Beispiel dafür.
Balgende Hunde spielen und wissen, dass man dem anderen Hund nicht so ins Ohr zu beißen hat, es soll eben nicht ernst sein und weh tun. Katzen spielen mit einem Wollknäul obwohl sie erkennen, dass dies keine echte Beute ist. Neben den Kinderspielen spielen wir Menschen als homo ludens Geschicklichkeitsspiele, Karten- und Brettspiele, phantasievolle Figurenspiele, wir spielen Theater, Fussball oder auch Musik. Der Begriff des Spielens hat für den homo ludens eine zentrale, universelle Bedeutung, wir denken und handeln nicht nur hoch konzentriert auf ein bestimmtes Ziel mit einem konkreten Nutzen hin.
Spielen ist für uns eine grundlegende menschliche Aktivität, die Kreativität erfordert und fördert sowie für einen vergleichenden Wettkampf gesteigerte Energie und Kraft freisetzt.
Mit seinem Werk „Homo ludens – Vom Ursprung der Kultur im Spiel“ schuf Johan Huizinga 1938 knapp vor dem II. Weltkrieg eine Grundlage für die moderne Spielforschung, für den noch sehr jungen transdisziplinären wissenschaftlichen Forschungszweig rund um den homo ludens, die Ludologie oder die Spielewissenschaften.
Es bleibt zu klären, ob durch die neuen digitalen Spielmöglichkeiten am Computer, der Konsole, dem Smartphone oder Tablet eine Erosion der alten Spielkultur ausgeht oder ob nicht gerade die digitalen Spielerlebnisse ein Beweis für die adaptive kulturschaffende Spielwelt sind. Warum spielt der homo ludens was? Gibt es aus dieser digitalen Spielewelt Effekte, die über den reinen sinnlosen Zeitvertreib und die Unterhaltung hinaus gehen?
Der Begriff „Spiel“
Für den homo ludens definiert Johan Huizinga den Begriff Spiel: Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzer Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und dem Bewußtsein des „Andersseins“ als das „gewöhnliche Leben“ (s. S. 37 in Homo ludens).
Mit dieser Definition des Spiels wird ein fundamentales, universell geltendens Element des menschlichen Lebens umrissen, dass sich wohltuend vom reinen logischen Denken und zielgerichteten, nützlichen Handeln abhebt und damit einen Freiraum für Kultur und Lebensfreude schafft.
Als Grundlagenwerk der Ludologie ist diese Buch sehr zu empfehlen.
Weitere Infos auf ludologie.de: Spiel als Ursprungsort von Kultur.