Vier Jahre nach der Veröffentlichung von It Takes Two wollen die Entwickler von Hazelight Studios mit ihrem neuesten Koop-Titel Split Fiction erneut begeistern. Die Erwartungen sind hoch. Schließlich gewann It Takes Two bei den Game Awards 2021 in den Kategorien Bestes Multiplayer-Spiel, Bestes familienfreundliches Spiel und sogar „Spiel des Jahres“ und war für drei weitere nominiert.
Der Plan scheint aufzugehen, denn 98 Prozent der derzeit über 17.000 Bewertungen auf Steam würden Split Fiction weiterempfehlen. Auch auf Metacritic sind sich Presse und Spieler selten so einig: Mit 92 von 100 Punkten der Presse und 8,9 von 10 Punkten der Spieler schneidet der neue Koop-Titel sehr gut ab und hat damit gute Chancen, das beste Koop-Abenteuer 2025 zu werden. Ab dem 06. März 2025 ist Split Fiction für PC, Xbox und PlayStation 5 erhältlich. Was die Spieler zu all den Lobeshymnen bewegt und welche Schwächen es vielleicht dennoch gibt, erfahrt ihr hier im Test.
Split Fiction hat eine Schwäche
Bevor die Lobeshymnen auch hier im Test weitergehen, soll gleich der kritischste Punkt des Spiels vorweggenommen werden: die Story und die Charaktere. Die Story beginnt zunächst recht vielversprechend. Man schlüpft in die Rolle der beiden Autorinnen Mio oder Zoe und nimmt an einem Experiment teil. Dabei werden sie in einen Dämmerschlaf versetzt und ihre bisherigen Buchideen werden extrahiert. Der Verlag Rader Publishing verspricht im Gegenzug einen Buchvertrag, von dem beide schon so lange träumen. Während der Trance durchleben sie die Geschichten wie in einem Traum. Doch Mio lehnt im letzten Moment ab und es kommt zum Gerangel. Dabei wird sie mit Zoes Gedankenwelt verbunden und euer gemeinsames Koop-Abenteuer beginnt.
Schon bei der Auswahl der Charaktere macht das Spiel auf die großen charakterlichen Unterschiede zwischen Mio und Zoe aufmerksam. Mio ist reserviert, entschlossen, realistisch und introvertiert. Zoe hingegen wird als charismatisch, empathisch, optimistisch und extrovertiert beschrieben. Diese Unterschiede sind anfangs so deutlich, dass sie schlichtweg unrealistisch wirken und die ersten Dialoge etwas unnatürlich erscheinen lassen. Auch in den ersten Spielstunden werden diese klaren Linien kaum aufgeweicht. Auch der Antagonist der Geschichte wird bis zum Ende sehr eindimensional als böser Superschurke ohne weitere Facetten charakterisiert. Die Annäherung zwischen Mio und Zoe gelingt dann in der zweiten Spielhälfte deutlich besser und man erfährt auch mehr über ihre Gedankenwelt. Vor allem auch, warum sie ihre Geschichten geschrieben haben und welche Metaphern in ihrem Leben welche Bedeutung haben. Dies ist wiederum eine große Stärke der Geschichte und der Erzählweise von Split Fiction.

Mio und Zoe werden versehentlich in einem Traum gefangen und müssen fortan ihre Geschichten gemeinsam meistern.
Abwechslung, Abwechslung, Abwechslung
Kein Wort könnte Split Fiction besser beschreiben als „Abwechslung“. Ähnlich wie bei It Takes Two bekommt ihr in jedem Level neue Fähigkeiten. Einige Mechaniken wie das Laufen an Wänden, der Enterhaken und der Doppelsprung ziehen sich durch das ganze Spiel. Mit diesen meistert ihr die ersten beiden Level. Die Geschichten von Mio und Zoe wechseln sich ab. Mio schreibt hauptsächlich Science-Fiction-Bücher, die euch in verschiedene Zukunftsszenarien und Cyberwelten entführen. Dabei kommt die Action nicht zu kurz, denn ihre Geschichten sind vor allem von viel Geballer und Explosionen geprägt. Die Geschichten von Zoe hingegen gehören zum Fantasy-Genre. Hier tummeln sich Trolle und viele andere Wesen zwischen Burgen und Schlössern in bunten Märchenwelten. In den ersten beiden Levels lernt ihr die Grundmechaniken kennen. Danach lernt ihr immer mehr Mechaniken dazu, die allerdings nur einmal im jeweiligen Level zur Verfügung stehen.
So ist immer für Abwechslung gesorgt. Aber auch innerhalb eines Levels ändert sich das Gameplay zum Teil drastisch. So muss man sich immer wieder auf eine völlig neue Perspektive oder einen neuen Grafikstil einstellen. Von der gewohnten 3D-Welt wechselt die Perspektive plötzlich in eine Seitenansicht, die an alte Super Mario-Spiele erinnert. Aber auch eine Draufsicht à la GTA 2 oder sogar ganz neue Spielstile sind möglich. Ein Level dauert etwa ein bis zwei Stunden und ist damit für ein Szenario relativ lang. Hier helfen die Nebenstränge, die einen jedes Mal in eine völlig neue Welt mit eigenen Fähigkeiten schicken. Diese sind meist kurz und intensiv und erinnern oft an andere bekannte Spieletitel. So surft ihr in einem Level in Tony-Hawk-Manier einen Berg hinunter und müsst mit eurem Board sliden, Tricks und Combos landen, um mehr Punkte zu erhalten.

Ziel des Spiels ist es, am Ende jedes Levels Glitches zu finden, die euch aus der gemeinsamen Trance befreien.
Vielseitige Bosskämpfe voller Überraschungen
Auch bei den Bosskämpfen kommt keine Langeweile auf. Während viele Rollenspiele immer wieder unter dem Problem leiden, dass Bosskämpfe zu eindimensional und die Mechaniken zu repetitiv sind, kann Split Fiction hier viele Pluspunkte sammeln. Zum einen sind alle Endgegner grundverschieden, zum anderen sorgen allein schon die levelexklusiven Fähigkeiten dafür, dass der Weg zum Sieg immer wieder völlig anders aussieht. Aber auch innerhalb der Bosskämpfe kommt keine Langeweile auf. Alle Bosse haben mehrere Phasen und man muss sein Gameplay immer wieder anpassen. Bei manchen Endgegnern ändert sich zwischen den Phasen sogar die komplette Umgebung. Hier können sich viele große Action-Rollenspiele noch eine Scheibe abschneiden. Ein wesentlicher Unterschied zu diesem Genre ist jedoch der Sinn und Zweck des Spiels.
Split Fiction versucht nicht, ein schwieriges Spiel zu sein. Es gibt keine verschiedenen Schwierigkeitsgrade. Man hat lediglich die Möglichkeit, den eintreffenden Schaden noch weiter zu reduzieren. Aber auch ohne diese Spielhilfe ist das Spiel leicht zu meistern und soll vor allem Spaß machen. Wenn man irgendwo herunterfällt oder von einem Gegner besiegt wird, taucht man nach kurzer Zeit wieder auf, solange der Koop-Partner nicht gleichzeitig stirbt. Aber auch dann gibt es sehr viele automatische Speicherpunkte, so dass zu keiner Zeit Frust aufkommt. Auch bei den Bosskämpfen gibt es zwischen den recht kurzen Phasen Checkpoints, an denen ihr gemeinsam neu startet, wenn ihr beide gleichzeitig besiegt werdet. Split Fiction möchte euch neben dem Spielspaß auch dazu anregen, euch als Team zu verstehen, denn ohne genaue Absprachen geht es hier nicht. Wenn ihr nicht nebeneinandersitzt, braucht ihr auf jeden Fall eine Sprachverbindung zueinander.

War man eben noch in einer actiongeladenen 3D-Welt, findet man sich in Split Fiction im nächsten Moment in einem Weltraum-Shooter der 80er Jahre wieder.
KOOP wird bei Split Fiction großgeschrieben
Eines ist bei den Spielen von Hazelight Studios von vornherein klar: Hier ist der Koop-Modus kein schnell programmiertes Extra, sondern der Kern des Spiels. Auf eine Solo-Option haben die Entwickler bewusst verzichtet, da dies wohl den gesamten Charakter des Spiels zerstören würde. Deshalb bietet das Studio mit dem Freunde-Pass ein recht attraktives Angebot. Nur einer von euch muss das Spiel kaufen und euer Koop-Partner kann das Spiel in der Freunde-Pass-Version herunterladen, ohne eine eigene Kopie des Spiels besitzen zu müssen. Der Grundgedanke dahinter ist, dass dies in Zeiten von gemütlichen Spielrunden auf dem Sofa auch nicht notwendig war. Heute findet der Großteil der Multiplayer-Aktivitäten online statt, so dass jeder auch das Spiel selbst erwerben muss. Gerade in diesen Zeiten ist der Freunde-Pass ein wirklich faires Angebot von Hazelight.
Das Beste daran: Es spielt keine Rolle, auf welcher Plattform euer Mitspieler spielen möchte. Ob PC oder Konsole, ob ihr über Steam, Epic Games oder die EA-App spielen wollt, alles ist dank Crossplay problemlos möglich, auch mit dem Freude-Pass. Dazu braucht ihr nur beide einen EA-Account und müsst dort Freunde sein. Dann könnt ihr euch im Spiel einloggen und über die Freundesliste einladen.

Split Fiction bedient sich allerlei Anspielungen. Hier beispielsweise an Hogwarts aus Harry Potter, Nifflern aus Phantastische Tierwesen und Saurons Auge aus Herr der Ringe.
Split Fiction ist technisch fast makellos
Spieleveröffentlichungen mit vielen Bugs zu Beginn sind nichts Neues mehr. Der hart umkämpfte Markt und die Monopolisierung der großen Publisher sorgen dafür, dass oft nicht mehr die nötige Zeit für Bugfixes und Feinschliff bleibt. Split Fiction kann hier voll überzeugen. Einzig die Steuerung ist hier und da nicht immer hundertprozentig präzise. Dies fällt besonders auf, da das Spiel grundsätzlich sehr flüssig und schnell abläuft. Fast alle Welten sind sehr intuitiv aufgebaut, so dass man eigentlich nur durchrutschen muss. Wenn sich euer Charakter einmal nicht festhalten kann oder den Ankerpunkt nicht findet, ist das etwas ärgerlich. Ansonsten gab es im Test keine Fehler oder Abstürze. Lediglich die Serververbindung brach einige Male ab, was aber nicht auf das Spiel zurückzuführen ist.
Auch etliche Clipping-Fehler oder matschige Texturen, die in fast allen neuen Spieleveröffentlichungen findet, sucht man hier vergeblich. Die ungefähre Spielzeit inklusive aller Nebenstränge beträgt ungefähr 15 Stunden. Das ist bei etwa 40-50 Euro Verkaufspreis eine solide Länge, die vollkommen auf Spielelemente verzichtet, die das Spiel unnötig in die Länge ziehen. Auch wird vollständig auf Sammelgegenstände oder ähnliches verzichtet. Die Achivement-Jäger unter euch kommen aber selbstverständlich trotzdem auf ihre Kosten. Hier müsst ihr euch nicht nur gut umsehen, sondern auch “experimentierfreudig” sein, um wirklich alle Erfolge zu finden und zu meistern.

Gerade die Nebenstränge bieten kurze, abwechslungsreiche Welten. Die Nebenmissionen sind eine große Stärke von Split Fiction.
Fazit zu Split Fiction
Alles in allem liefern die Entwickler von Hazelight wieder einmal ein wirklich gelungenes Koop-Erlebnis mit einer enormen Vielfalt an Welten, Gegnern, Jump’n’Run-Elementen und Bosskämpfen. Die vielen Anspielungen auf Filme, bekannte Genres und Spiele und sogar auf It Takes Two selbst machen Split Fiction zu einer bunten Spielekiste, aus der ihr euch mit eurem Koop-Partner bedienen könnt. Umso besser, dass ihr dieses Koop-Erlebnis dank des Freunde-Passes auch mit einem Freund teilen könnt, der keine eigene Kopie des Spiels besitzt. Auch wenn die Story zu Beginn nicht ganz so stark ist, bekommt ihr in der zweiten Hälfte des Spiels eine interessante Charakterentwicklung und viele Hintergründe zu Mio und Zoe geboten.
Split Fiction hat mit 15 Stunden Spielzeit eine kompakte Länge ohne zeitdehnende Elemente, die nicht zum Spielspaß beitragen. Für Unterhaltung sorgt vielmehr der teilweise derbe Humor, der vor allem in den Nebenhandlungen deutlich wird. Die Chancen stehen gut, dass Hazelight mit Split Fiction auch in diesem Jahr wieder einige Preise abräumen wird. Wer ein kompaktes Koop-Abenteuer sucht, bei dem der Spielspaß klar im Vordergrund steht und nicht das spielerische Können, kann mit diesem Titel nichts falsch machen.
Transparenzhinweis: Das PC-Spiel „Split Fiction“ wurde für diesen Test kostenlos von Electronic Arts zur Verfügung gestellt.
Bildquelle Titelbild: Electronic Arts